Rebelodrom ist der Name für ein Aktionslabor (in- und outdoor, bzw. im Netz) das melodramatische Interventionen in spezifischen öffentlichen und politischen Handlungsräumen in Wien entwickelt und realisiert.
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More Freedom of Speech

brut Wien bezieht Stellung zum offenen Brief „Zu eurem Umgang mit dem Fall Assange“



Im Oktober widmet sich das brut mit dem Themenschwerpunkt „Freedom of Speech“ der Redefreiheit, einem Grundrecht unserer westlichen Gesellschaft. In fünf Theaterpoduktionen beleuchten wir das Thema „Redefreiheit“ aus unterschiedlichen Perspektiven. Dabei ist es unser Anliegen, eine Diskussion abzubilden, die sich mit den Funktionsweisen einer neuen Web 2.0-Öffent-lichkeit auseinandersetzt. Im Zentrum stehen die folgenden Fragen: Hat sich unsere Öffentlichkeit und das Konzept „öffentliche Meinung“ verändert? Was kann, darf und soll überhaupt noch gesagt werden und was muss ungesagt bleiben? Wie und wo wird die Freiheit der Rede im Netz instrumentalisiert?

Vor diesem Hintergrund freuen wir uns über alle Reaktionen und Diskussionsbeiträge unseres Publikums. Ihre Bitte um Stellungnahme zum Stück „ASSASSINATE ASSANGE“ beantworten wir gerne mit diesem Brief.

In unserem Themenschwerpunkt und in dem Stück „ASSASSINATE ASSANGE“ geht es nicht um die Feststellung von Wahrheiten, sondern um eine Diskussion und Analyse medialer Funktionsweisen. Auch die Frage nach den Grenzen der Kunstfreiheit spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Angela Richter beschäftigt sich in ihrem Stück mit dem „Fall Assange“ und damit auch mit einem Menschen, der mittlerweile hinter seiner medialen Inszenierung mehr und mehr verschwindet. Einerseits wird Assange als Vergewaltiger und Staatsfeind medial verurteilt, andererseits als Internetmessias inszeniert. Eine Anklage gegen Assange steht immer noch aus, in der öffentlichen Meinung wurde er jedoch bereits vorverurteilt oder die die Anschuldigungen vorgebrachten Frauen diskreditiert. Eine Vorverurteilung in die eine oder andere Richtung lehnen wir jedoch ab.

Dies sehen wir auch nicht als unsere Aufgabe und wollen dies als künstlerische Leiter von brut gerne ExpertInnen und Gerichten überlassen. Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass Angela Richter – ebenso wie Ihnen und anderen – eine subjektive Einschätzung auf Grundlage des vorliegenden Materials zusteht. In Ihrem offenen Brief zitieren Sie Angela Richter und werfen ihr vor, Vergewaltigung mit der folgenden Aussage zu rechtfertigen: „Keine der beiden Frauen hat zu irgendeinem Zeitpunkt Nein gesagt. Vergewaltigung ist Sex unter Zwang, das hat hier nicht stattgefunden.“ Wir möchten darauf hinweisen, dass dieses Zitat aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Die Journalistin fragte nach Frau Richters subjektiver Meinung: Was also, glauben Sie, ist in Schweden passiert? Angela Richter: Ich kann nur von den polizeilichen Aussagen der Frauen ausgehen, in beiden Fällen handelt es sich um einvernehmlichen Sex. Keine der beiden Frauen hat zu irgendeinem Zeitpunkt Nein gesagt. Vergewaltigung ist Sex unter Zwang, das hat hier nicht stattgefunden. Die Behandlung des Falles Assange schadet meiner Ansicht nach allen, die den Gräuel einer Vergewaltigung erleben mussten. (Quelle: http://www.freitag.de/autoren/christine-kaeppeler/wir-werden-alle-assange-sein)

Als künstlerische Leiter von brut nehmen wir unsere moralisch-ethische Verantwortung sehr ernst und möchten daher betonen, dass wir keineswegs sexuelle Gewalt gegen Frauen verharmlosen möchten. Falls der Programmtext für das Stück „ASSASSINATE ASSANGE“ diesen Eindruck hat entstehen lassen, möchten wir uns hiermit dafür entschuldigen. Wir werden den Text auf unserer Website ändern. Wie kein anderes Theater in dieser Stadt stehen wir queer-feministischen Fragestellungen offen gegenüber und stellen in unseren Produktionen immer wieder heteronormative Gesellschaftsbilder infrage.

Zu bemerken ist außerdem, dass die Figur Assange in Angela Richters Stück als eine Kunstfigur zu verstehen ist. Angela Richter entfernt sich damit definitiv von einem dokumentarischen Theateranspruch. Ein vergleichbarer Fall ist etwa Christoph Schlingensief, der sein Statement „Ausländer raus“ sicherlich ebenfalls als Kunstfigur geäußert hat. Angela Richter thematisiert in ihrem Stück auch die Macht der Medien in einem derartigen Zusammenhang.

Wichtig ist uns die Freiheit der Kunst, insbesondere auch im Hinblick auf unseren Themenschwerpunkt „Freedom of Speech“. Zensur im Namen einer vermeintlichen Political Correctness lehnen wir ab.

Wir würden uns freuen, diese Diskussion fortführen zu können und laden Sie sowohl zu den Aufführungen und zu dem Publikumsgespräch von „ASSASSINATE ASSANGE“ oder auch schon im Vorfeld zu einem Gespräch ein.

Thomas Frank und Haiko Pfost

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